Rhythmus & Klang e.V. im Interview – Was kann Deutschland von Afrika lernen?
Rhythmus & Klang e.V. ist ein Zusammenschluß von Musikern und Kulturschaffenden aus Europa und Westafrika. Ziel des Verein ist es, auf den Wert von traditioneller Musik aufmerksam zu machen um hier in Deutschland dazu beizutragen, daß „Volksmusik“ wieder einen Platz in der Gesellschaft bekommt. Mitinitiator des Vereins ist der umtriebige deutsche Saxophonist, Klarinettist und Spieler der „Tambin“ Hannes Kies. Er hat bei Aufenthalten in Bamako, Mali die „Tambin- die Flöte der Peul“ zu spielen gelernt und so eine ihm vorher unbekannte Kultur kennengelernt.
Herr Kies, wofür haben Sie den Verein gegründet?
Uns ist aufgefallen, daß sich insbesondere hier in Berlin eine lebhafte Community aus Westafrika gebildet hat, die daran arbeitet, der deutschen Gesellschaft einen genaueren Blickwinkel auf Afrika zu geben als der des „lachenden Schwarzen“. Wir möchten dieser Diskussion den Blickwinkel der Musiker hinzufügen. Musik ist eine Sprache, die jeder Mensch versteht und so sind wir in der wunderbaren Position zum Verständnis und zur Kommunikation der Menschen untereinander beitragen zu können. Die Musik einer Kultur repräsentiert immer die Gesellschaft in der sie entsteht und so kann man durch das Studieren der verschiedenen Musikstilistiken (ihre Spielweise, ihre Funktion, ihre Merkmale) Rückschlüsse auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede, wie in diesem Fall zwischen Westafrika und Deutschland, ziehen. Ich selbst habe durch den Kontakt mit der Kultur der Peul viel gelernt und merke, daß ich mich inzwischen in beiden Kulturen zu Hause fühle.
Alle Vereinsmitglieder besitzen diesen Reichtum über die Kenntnis von mehreren Kulturen…. diesen Reichtum möchten wir durch unsere Musik und durch Kommunikation miteinander an andere weitergeben.
Was tuen Sie konkret?
Wir haben als Beginn unserer Tätigkeit 2 CD´s produziert, um die Basis unserer Arbeit „die Musik“ präsentieren zu können. Die Musik des „Roots`n´Riddim Orchestra“ einem AfroJazzKollektivs und die der Gruppe „Denn wenn et Trömmelche jeht!“. Auf beiden CDs ist die Suche nach Schönheit in der Folklore Westafrikas und im Jazz bestimmend. Aus den Rhythmen der Peul, der Ga, Mandinké, der Bobo und der Gnawa bezieht die Musik ihr Fundament… aus dem Jazz die Freiheiten der Improvisation und den Klang. Außerdem beginnen wir damit, ein Netzwerk aufzubauen, um dazu beizutragen, die vielen verschiedenen Kulturschaffenden die in Deutschland in diesem Bereich arbeiten zu verbinden. Wir wollen durch Kommunikation gemeinsame Positionen finden und so die Wertschätzung und Wahrnehmung dieser reichen Kultur in Deutschland erhöhen.
Was für gemeinsame Positionen?
Das wird sich noch zeigen (lacht) … Unsere zentrale Frage ist: „Was können wir hier in Deutschland von Afrika lernen?“ Im Sommer haben wir auf Afrikafestivals gespielt und uns in Gesprächen auf einige Punkte verständigt:
- Lebensfreude
- Gelassenheit
- Rücksichtnahme
- Kindererziehung
Es geht aber nicht um solche Schlagworte. Es ist vielmehr ein Gefühl, das hier in unserer „hochentwickelten“ und komplizierten Gesellschaft etwas verloren gegangen ist, was zumindestens in Mali noch sehr stark und klar zu fühlen ist. Wir suchen nach dem Vokabular um dieses Gefühl zu beschreiben … „In diesen fernen Ländern blüht eine Kultur, die etwas Vergessenes und Unerhörtes nach Europa bringt. Eine Kultur, in der noch immer die Natur den Lebensrhythmus bestimmt und die Musik sich an den Gesichtern, Körpern, Geschichten und Landschaften inspiriert. Die Rätsel, Geister und Mythen haben noch ihren Platz in der Gesellschaft und geben Raum für Gedankenspiele, Unwissenheit, Neues und Humor. Die Schönheit des Klangs liegt beim Zuhörer, der durch seine Vorstellungskraft oder durch den Tanz der Musik ihre Weite und Wärme gibt.“ In Mali sind die Menschen stolz auf ihre Kultur und dies gibt ihnen Sicherheit und Klarheit. Die Religion & Spiritualität nimmt einen wesentlich wichtigeren Platz im Alltagsleben ein als hier in Deutschland. Deutsche Kultur spielt in den Philharmonien, Feuilltons, Theatern und Jazzclubs, die alle das Problem haben, nur von einem sehr speziellen Publikum besucht zu werden. Dass Kultur ein Gebrauchsgut ist, welches man durch Singen oder Klatschen unter der Dusche, bei der Arbeit, auf dem Spielplatz oder abends beim Bier benutzen kann, welches Gefühle auszudrücken vermag und bestens für Körper & Geist ist, ist uns Deutschen aus dem Sinn gekommen. Das ist ein Punkt, den wir von Afrika lernen können und der vielleicht auch dazu beiträgt, daß Livemusik wieder geschätzt wird. Dann hätten wir Musiker nicht nur gute Laune, sondern endlich auch wieder Arbeit. (lacht)
Was ist mit der Religion & Spiritualität?
Die Kirchen haben hier in Deutschland ähnlich wie die Kulturinstitutionen viele Kapazitäten frei und werden von einem Großteil der Bevölkerung nicht mehr benutzt. Das ist eigentlich erstaunlich, wenn man sieht, was Kirchen architektonisch für wunderbare Orte sind, die dazu noch Raum für Ruhe und zum Innehalten geben. Außerdem werden hier Themen besprochen und zelebriert, die mich als eher unreligiösen Menschen ansprechen. Es geht um den heiligen Geist, um Wunder und um gute Taten. In Westafrika gibt es neben dem Islam noch andere Glaubensrichtungen. In vielen dieser Religionen spielt die Musik eine zentrale Rolle und dem Musiker werden Fähigkeiten zugeschrieben, die bei uns in den medizinischen oder psychologischen Bereich gelagert würden. Es ist schwierig, zu diesem Thema handfeste Informationen zu erhalten, da es sich um eine Tradition handelt, welche oral weitergegeben wird und durch Filme sowie Bücher schwer fassbar zu machen ist. Ein Teil unserer Vereinsmitglieder sind Gnawamusiker aus Marroko und Jäger aus Mali. Die Fähigkeiten, die diese Meister durch ihre Musik haben zu erforschen, zu verbreiten und zu diskutieren ist ein weiteres Interesse unseres Vereins.
Herr Kies von Rhythmus & Klang e.V., wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Hannes Kies ist als Dozent für „Tambin“ an der Global-Music-Academy.de tätig.
Zeitungskritiken:
„Sie zeigten, daß Vollblutmusiker ihre Musik nicht nur schlechthin spielen, sondern in jedem Augenblick mit heißem Herzen Leben.“
(Thüringer Allgemeine, 19.11.11)
„Ein Diskurs aus westlichem Jazz und westafrikanischen, stark perkussiven Klängen, mit einer verblüffenden Sogwirkung, einem hypnotisch-tranceartigen Effekt, der sich unweigerlich einstellte, also Musik, bei der man nun wirklich nicht still sitzen konnte.
(Fred Böhme, Panorama Museum Bad Frankenhausen)
„Eine multikulturelle Gruppe, die mit ihrem Afro-Jazz die Kaiserpfalz zum Brodeln bringt. … afrikanische Rhythmen und Blues vermischen sich zu einem beschwörend wirkenden Klangteppich.“
(Forchheimer Abendblatt, 7.Juli 09)
Hannes Kies und seine Gruppe „Mali Trio Project“ haben einen neuen Standard gesetzt. Wir haben es verstanden, „Jazz“ haben wir hier im grossen Rahmen gehört.
(Jeune Afrique, 10.Mai 09)
Schnell übertrug sich die Leichtigkeit des Konzertes und die Freude an der Musik aufs Publikum.
(Kölner Stadtanzeiger, 19.11.09)